25.9.07

die ganz gemeine Zeit

Eine fiese, fiebrige, fette Erkältung.

11.9.07

Die Fünfte Jahreszeit

Selten hat jemand die kurze Zeit nach dem Sommer und vor dem Frühling so treffend beschrieben wie Kurt Tucholsky:

Die fünfte Jahreszeit

Die schönste Zeit im Jahr, im Leben, im Jahr? Lassen Sie mich nachfühlen.

Frühling? Dieser lange, etwas bleichsüchtige Lümmel, mit einem Papierblütenkranz auf dem Kopf, da stakt er über die begrünten Hügel, einen gelben Stecken hat er in der Hand, präraffaelitisch und wie aus der Fürsorge entlaufen; alles ist hellblau und laut, die Spatzen fiepen und sielen sich in blauen Lachen, die Knospen knospen mit einem kleinen Knall, grüne Blättchen stecken fürwitzig ihre Köpfchen ... ä, pfui Deibel! ... die Erde sieht aus wie unrasiert, der Regen regnet jeglichen Tag und tut sich noch was darauf zugute: ich bin so nötig für das Wachstum, regnet er. Der Frühling –?

Sommer? Wie eine trächtige Kuh liegt das Land, die Felder haben zu tun, die Engerlinge auch, die Stare auch; die Vogelscheuchen scheuchen, dass die ältesten Vögel nicht aus dem Lachen herauskommen, die Ochsen schwitzen, die Dampfpflüge machen Muh, eine ungeheure Tätigkeit hat rings sich aufgetan; nachts, wenn die Nebel steigen, wirtschaftet es noch im Bauch der Erde, das ganze Land dampft vor Arbeit, es wächst, begattet sich, jungt, Säfte steigen auf und ab, die Stuten brüten, Kühe sitzen auf ihren Eiern, die Enten bringen lebendige Junge zur Welt: kleine piepsende Wolleballen, der Hahn – der Hahn, das Aas, ist so recht das Symbol des Sommers! er preist seinen Tritt an, das göttliche Elixier, er ist das Zeichen der Fruchtbarkeit, hast du das gesehn? und macht demgemäß einen mordsmäßigen Krach ... der Sommer –?

Herbst? Mürrisch zieht sich die Haut der Erde zusammen, dünne Schleier legt sich die Fröstelnde über, Regenschauer fegt über die Felder und peitscht die entfleischten Baumstümpfe, die ihre hölzernen Schwurfinger zum Offenbarungseid in die Luft strecken: Hier ist nichts mehr zu holen ... So sieht es auch aus ... Nichts zu holen ... und der Wind verklagt die Erde, und klagend heult er um die Ecken, in enge Nasengänge wühlt er sich ein, Huuh macht er in den Stirnhöhlen, denn der Wind bekommt Prozente von den Nasendoktoren ... hochauf spritzt brauner Straßenmodder ... die Sonne ist zur Kur in Abazzia ... der Herbst –?

Und Winter? Es wird eine Art Schnee geliefert, der sich, wenn er die Erde nur von weitem sieht, sofort in Schmutz auflöst; wenn es kalt ist, ist es nicht richtig kalt sondern naßkalt, also naß ... Tritt man auf Eis, macht das Eis Knack und bekommt rissige Sprünge, so eine Qualität ist das! Manchmal ist Glatteis, dann sitzt der liebe Gott, der gute, alte Mann, in den Wattewolken und freut sich, dass die Leute der Länge lang hinschlagen ... also, wenn sie denn werden kindisch ... kalt ist der Ostwind, kalt die Sonnenstrahlen, am kältesten die Zentralheizung – der Winter –?

»Kurz und knapp, Herr Hauser! Hier sind unsere vier Jahreszeiten. Bitte: Welche –?« Keine. Die fünfte.

»Es gibt keine fünfte.«

Es gibt eine fünfte. – Hör zu:

Wenn der Sommer vorbei ist und die Ernte in die Scheuern gebracht ist, wenn sich die Natur niederlegt, wie ein ganz altes Pferd, das sich im Stall hinlegt, so müde ist es – wenn der späte Nachsommer im Verklingen ist und der frühe Herbst noch nicht angefangen hat –: dann ist die fünfte Jahreszeit.

Nun ruht es. Die Natur hält den Atem an; an andern Tagen atmet sie unmerklich aus leise wogender Brust. Nun ist alles vorüber: geboren ist, gereift ist, gewachsen ist, gelaicht ist, geerntet ist – nun ist es vorüber. Nun sind da noch die Blätter und die Gräser und die Sträucher, aber im Augenblick dient das zu gar nichts; wenn überhaupt in der Natur ein Zweck verborgen ist: im Augenblick steht das Räderwerk still. Es ruht.

Mücken spielen im schwarz-goldenen Licht, im Licht sind wirklich schwarze Töne, tiefes Altgold liegt unter den Buchen, Pflaumenblau auf den Höhen ... kein Blatt bewegt sich, es ist ganz still. Blank sind die Farben, der See liegt wie gemalt, es ist ganz still. Boot, das flußab gleitet, Aufgespartes wird dahingegeben – es ruht.

So vier, so acht Tage –

Und dann geht etwas vor.

Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich gar nichts geändert – und doch alles. Es geht wie ein Knack durch die Luft – es ist etwas geschehen; so lange hat sich der Kubus noch gehalten, er hat geschwankt ... , na ... na ... , und nun ist er auf die andere Seite gefallen. Noch ist alles wie gestern: die Blätter, die Bäume, die Sträucher ... aber nun ist alles anders. Das Licht ist hell, Spinnenfäden schwimmen durch die Luft, alles hat sich einen Ruck gegeben, dahin der Zauber, der Bann ist gebrochen – nun geht es in einen klaren Herbst. Wie viele hast du? Dies ist einer davon. Das Wunder hat vielleicht vier Tage gedauert oder fünf, und du hast gewünscht, es solle nie, nie aufhören. Es ist die Zeit, in der ältere Herren sehr sentimental werden – es ist nicht der Johannistrieb, es ist etwas andres. Es ist: optimistische Todesahnung, eine fröhliche Erkenntnis des Endes. Spätsommer, Frühherbst und das, was zwischen ihnen beiden liegt. Eine ganz kurze Spanne Zeit im Jahre.

Es ist die fünfte und schönste Jahreszeit.

Kaspar Hauser

Die Weltbühne, 22.10.1929, Nr. 43, S. 631.

(ich habe es hier geklaut)

10.9.07

War doch nicht alles schlimm - damals.

Nun, was Frau Herman gesagt hat, kann man hier und hier und auch bestimmt noch woanders in der Presse nachlesen. Deswegen habe ich mir erlaubt nur die Presseerklärung zum Thema des Pendo Verlags zu veröffentlichen. Die Tatsache, dass der Verlag sich solidarisch gibt und behauptet, dass alles wieder mal ein Mis(t)sverständnis sein soll und die ach-so-blauäugige Autorin es ja doch nicht so gemeint hat, lässt mich an ein Zitat denken, das ich ein wenig verändert habe: Herr vergib ihnen nicht, denn sie wissen genau, was sie tun.
Und überhaupt - wie kann man da noch von einem Missverständnis sprechen, denn diesen sich ähnelnden Mutti-und-Kind-Mist gibt sie ja nicht zum ersten Mal wider? Wann wird Frau Herman den Vorschlag unterbreiten, dass man Frauen mit einem gebärfreudigen Becken und ab 5 Kinder mit einer Art Prämie, Medaillen sind ja nicht mehr so verbreitet, belohnen soll?



Presseerklärung zum Thema wurde kopiert (samt der Fehler)


    10.09.2007

    "Der Pendo-Verlag mit allen seinen Mitarbeitern bedauert zutiefst die Missverständnisse, die sich im Anschluss an eine Pressekonferenz ergaben, in der unsere Autorin Eva Herman ihr neues Buch Das Prinzip Arche Noah. Warum wir die Familie retten müssen vorstellte. Dieses Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die dringend notwendige Rückbesinnung auf Werte, wie sie in der Familie gelebt werden: Liebe, Verantwortung, Gemeinsinn. Es ist eine engagierte Reflexion über gesellschaftliche Missstände, die uns alle angehen. Nie ist es die Absicht des Verlags oder der Autorin gewesen, in irgendeiner Weise die Ideologie des Nazi-Regimes zu verharmlosen oder sogar gutzuheißen. Schlagzeilen wie „Eva Herman lobt Hitlers Familienpolitik“ sind daher irreführend und entsprechen absolut nicht der Intention von Autorin und Verlag. Im Gegenteil: Ausdrücklich stellen wir fest, dass wir gegen Rassismus, Rechtsradikalismus und jede Art der Diskriminierung Stellung beziehen. Sowohl Eva Herman als auch der Pendo-Verlag wehren sich daher gegen tendenziöse Berichterstattungen, die Frau Herman fälschlicherweise in den Kontext von Hitler-Sympathisanten rücken. Wir fordern eindringlich dazu auf, sich mit den Inhalten des Buchs differenziert auseinander zu setzen, statt bei Vorverurteilungen stehen zu bleiben."

Eine Bemerkung zum Schluß: wie bitte kann man sich mit diesem Mist, differenziert auseinandersetzen?

P.S. etwas gutes hat es doch gehabt. Der NDR hat reagiert und wir werden Frau Herman im Fernsehen nicht mehr angucken müssen. Wenigstens das bleibt uns erspart.

2.9.07

Küssen verboten!

Endlich weiß ich wohin ich demnächst auswandere. Ich werde das Land wählen, in dem sich manche Unsitten erst gar nicht vermehren können. Europa kann, guten Gewissens, nicht weiter empfohlen werden. Die Bussi-Bussi-Gesellschaft ist keine Bezeichnung aus dem ICD 10. Sie ist eine Unsitte, die sich bereits vermehrt hat und wogegen es keine Pillen gibt. Es ist etwas in der Art eines sozialen Bazillus’. Egal wo man auftaucht, wird zur Begrüßung geküsst. Menschen, die man gar nicht kennt, Fremde also. Aber auch Menschen, die einem bereits vorgestellt wurden, man sie deswegen trotzdem nicht kennt, tun es auch. Sie scheinen sich verpflichtet zu fühlen ihre Gesichthaut dem/der Gegenüber auf die Wange zu drücken. Manche breiten auch die Arme dabei aus, nehmen einen in einen pseudofreudigen Schwitzkasten und hinterlassen ihre Schleimspur unaufgefordert auf der Backe - und das Ganze 3 x. Nicht zu vergessen, vorher wird noch schnell ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Ich hätte ganz schnell meine Miete zusammen, wenn ich pro ungefragten Kuss Geld verlangen würde. Breschnew soll mal über Honecker gesagt haben, dass Honecker als Politiker zwar eine Niete gewesen sein soll, aber im Küssen unschlagbar. Ich jedenfalls ziehe nach Japan, denn da ist Küssen in der Öffentlichkeit verboten.

Wer kommt mit?