28.10.16

Niemand

©unbekannt - Rose Ausländer














Niemand
ich bin König Niemand
trage mein Niemandsland in der Tasche

Mit Fremdenpaß reise ich
von Meer zu Meer

Wasser deine blauen
deine schwarzen Augen
die farblosen

Mein Pseudonym 
niemand
ist legitim

Niemand argwöhnt
dass ich ein König bin
und in der Tasche
trage mein heimatloses Land.

26.10.16

stimmt

© unbekannt - Theodor Fontane









"Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht mehr zurück."

(Theodor Fontane)

Kann ich nur bestätigen, denn die meisten meiner Bücher haben Ehrgefühl gezeigt.

17.10.16

frisch entblättert




"Das gelbe Licht leuchtete auf. Zwei der Autos vorn beschleunigten bevor die Ampel auf Rot wechselte. Am Fußgängerübergang erschien das grüne Männchen. Die wartenden Passanten begannen die Straße zu überqueren, sie traten auf die weißen, auf den schwarzen Asphalt gemalten Streifen, nichts ähnelt einem Zebra weniger, dennoch werden sie so genannt. Die Autofahrer hielten ihre Autos ungeduldig zurück, voller Spannung mit dem Fuß auf der Kupplung, vor und zurück, wie nervöse Pferde, die die Peitsche in der Luft spüren. Die Fußgänger haben schon die Straße überquert, doch die Ampel, die den Autos den Weg freigeben soll, wird noch einige Sekunden auf sich warten lassen, es wird behauptet, dass diese eigentlich so unbedeutende Verzögerung, wenn wir sie mit den Tausenden von Ampeln in der Stadt multiplizieren und mit dem stets aufeinanderfolgenden Wechsel der drei Farben jeder einzelnen Ampel, eine der Hauptursachen für den Verkehrsstau ist."

© José Saramago

14.10.16

Hannah Arendt



"Wie schwer es sein muss, hier einen Weg zu finden, kommt vielleicht am deutlichsten in der gängigen Redensart zum Ausdruck, das Vergangene sei noch unbewältigt, man müsse erst einmal daran gehen, die Vergangenheit zu bewältigen. Dies kann man wahrscheinlich mit keiner Vergangenheit, sicher aber nicht mit dieser. Das höchste, was man erreichen kann, ist zu wissen und auszuhalten, dass es so und nicht anders gewesen ist, und dann zu sehen und abzuwarten, was sich daraus ergibt."

12.10.16

Froschherbst




















Der Sommer altert, kaltblütige Mutter,
Die Insekten sind knapp und mager.
In diesen moorigen Heimstätten quaken,
Und verkümmern wir nur.

Die Morgen zerrinnen in Schlaftrunkenheit.
Die Sonne wird allzu langsam hell
Zwischen marklosem Schilf. Fliegen lassen
Im Stich. Der Sumpf kränkelt.

Frost lässt gar die Spinne fallen. Zweifellos
Suchte der Geist der Fülle sich nun
Eine andere Bleibe. Unser Volk dünnt
Sich beklagenswert aus.

(Sylvia Plath)

9.10.16

WINDSCHIEF B43

Mein schönstes Gedicht

Mein schönstes Gedicht?
Ich schrieb es nicht.
Aus tiefsten Tiefen stieg es.
Ich schwieg es.


(Mascha Kaléko)

...

nächstes Treffen ist am 04.11.16 um 19:00

Buch: dasselbe wie zum letzten Treffen


© Martin Mlecko
in memoriam

2.10.16

The Frown


(© Thomas Webster, 1842)