5.4.22

WINDSCHIEF B101 - ZOOM20

Worum ging es? 

Die Anomalie - Hervé Le Tellier | Rowohlt


Nachdem wir uns im März „in echt“ begegnet waren, nicht willens und in der Lage, angesichts des Krieges zur windschiefen Tagesordnung zu gehen, hielten wir im April wieder eine Zoomsitzung. 

Hervé le Tellier, seines Zeichens Präsident der Autorengruppe Oulipo, hat mit „Die Anomalie“ einen Roman geschrieben, der den Prix Goncourt erhalten hat und sich auch in Deutschland ausgesprochen gut verkauft. Schnell geschrieben, spielt die Handlung im Jahr 2021, die Pandemie ist bereits Geschichte, allerdings ist Donald Trump noch Präsident der USA. 

 „Die Anomalie“ ist ein Buch, in dem es hyperrealistisch und zugleich nicht mit rechten Dingen zugeht. Le Tellier schreibt knapp, klar und gnadenlos über Insassen eines Flugzeugs, die in einen unfassbar schweren Sturm geraten, infolgedessen sie mitsamt der Maschine dupliziert wurden. Die einzelnen Individuen sind fortan damit konfrontiert, dass es sie zweimal gibt. Diese Geschichte wird geschrieben von einem Autor namens Victor Miesel, der sie einen Autor schreiben lässt, der ebenfalls Passagier, sich umbringt, dessen duplizierte Version den Nachruhm einsackt. Spätestens jetzt verknotet sich mein Hirn, man möchte dem Autor im Buch zuraunen, er möge auf seine Lektorin hören, die sagt, die Materie sei viel zu verzwickt, das Personal zu vielzahlig. 

Das erinnert an die Packung mit den Haferflocken, auf denen ein Junge abgebildet ist, der eine Packung mit Haferflocken in der Hand hält, auf der… Na, ihr wisst schon.

Über Victor Miesel, den Autor der Geschichte schreibt Le Tellier: „Im Gefühlsleben segelt er mit einem unverbrüchlichen Enthusiasmus von Schiffbruch zu Schiffbruch.“  

 Die Mitglieder von Oulipo unterwerfen sich in ihren Texten formalen Zwängen, hier schien die Aufgabe, mit einer Versuchsanordnung zu arbeiten, die aus etlichen Literaturgattungen bestand. Wir wurden von einem krimiartigen Thriller in eine Liebesgeschichte in eine Science-Fiction-Story geworfen und fragten uns: Was kommt noch? 

Das Personal war in zahlreichen Varianten vertreten. Es gab den supersmarten Psychopathen, der die Laufbahn des Auftragskillers einschlug und sich durch fortgesetzte Brutalität einerseits und ein sorgenfreies Doppelleben mit Familie auszeichnete. Ein Typ, der allen Nachforschungen entschlüpfte und sein Double folgerichtig und gründlich beseitigte, zu einer schwarzen Anwältin, einer alleinerziehenden Mutter, einem alternden weißen Architekten, einer Kröte namens Betty und noch einigen anderen Protagonisten und Protagonistinnen, die manche unter uns verwirrten ob ihrer schieren Anzahl. Einige von uns sahen schon bei der Lektüre einen Film.


Zitat: Ein Rätsel - Die Armen haben es, die Reichen brauchen es und wenn man es isst, stirbt man. Lösung: Das Nichts

Zitat: Kein Autor schreibt das Buch des Lesers, kein Leser liest das Buch des Autors. Höchstens am Schlusspunkt stellt sich eine Gemeinsamkeit her.

 

Die große Vorsitzende: 

Für mich ist das Zeitschreibe.

 

Unser Fazit: 

Gerade beim Ende blieben wir etwas enttäuscht zurück. Der Autor weiß vieles, will viel, schien uns ein wenig eitel. Das Buch ist unterhaltsam zu lesen, wir verschenken unsere Exemplare, und schaffen damit Platz für unsere nächsten Lektüren.

 

Hier die Vorschläge fürs nächste Mal: 06. MAI um c.t. 7 p.m. - per Z😖😖M 


A. P.: Tobias Haberl, Der gekränkte Mann

Der gekränkte Mann von Tobias Haberl | PIPER

 

 U. J.: Monika Maron, Stille Zeile 6 

Stille Zeile Sechs. Roman von Monika Maron – Hoffmann und Campe (hoffmann-und-campe.de)

Das Buch ist mal im S. Fischer Verlag erschienen, aber Frau Maron ist von dort zu Hoffman und Campe gewechselt und jetzt ist es dort zu haben. 

 

P. P.: Peter Sloterdijk, Der Zauberbaum

Der Zauberbaum. Buch von Peter Sloterdijk (Suhrkamp Verlag)

 

K.M.: Stine Pilgaard, Meter pro Sekunde

Meter pro Sekunde - Kanon Verlag (kanon-verlag.de)

 

S. B.: Milan Kundera, Die Unwissenheit

Die Unwissenheit - Bücher - Hanser Literaturverlage (hanser-literaturverlage.de)

 

R. W.: Lutz Klevemann, Lemberg die vergessene Mitte Europas

Lemberg | Lutz C. Kleveman | Aufbau (aufbau-verlage.de)



 












Wegen Lieferschwierigkeiten stattdessen:

Alexander Granach, Da geht ein Mensch

Alexander Granach: Da geht ein Mensch - Taschenbuch - btb Verlag (penguinrandomhouse.de)


 

 













(Keine Vorschläge von D. E. und C. K.) 


Text und Eintrag:  von D. E. - großen Dank dafür