16.3.07

Mailand und zurück

In der Schweiz fahren die Züge auf die Minute genau und der Satz: "Pünktlich wie die Eisenbahn" hat hier noch Gültigkeit. Also einsteigen, Türen schließen. Leider pustet niemand mehr bei der Abfahrt in eine Pfeife, damit alle wissen, dass es losgeht. Der Zug rollt langsam aus dem Bahnhof, wie ein Tausendfüßler. Die Passagiere haben ihr Gepäck verstaut und es sich in ihren Sitzen gemütlich gemacht, wenn das überhaupt möglich ist, denn die Sessel sind alles andere als bequem, aber für nicht mal 4 Stunden lässt es sich aushalten. Die Sandwiches, früher hießen sie noch Brote, werden ausgepackt. Man beißt rein, guckt aus dem Fenster und lässt die Landschaft vorbeirasen. Ich verlasse die Stadt, von der es heißt sie wäre eine, draussen werden die Häuser immer rarer, die Wiesen dafür immer größer, ich bedauere, dass ich Heidi und Peter nicht sehe, auch die Kühe lassen sich nicht blicken. Wahrscheinlich ist es noch zu kalt. Die Berge die sich immer höher vor mir aufbauen, ich glaube jetzt wird mir wieder ein wenig schlecht, haben nur ganz oben eine schneeüberzogene Kruste. Viel zu klein ist sie in diesem Jahr, aber das ist nicht überraschend. Der Zug durchfährt unzählige Tunnel. Einen nach dem anderen und klettert unaufhaltsam die Berge nach oben. Ab jetzt bloß nicht mehr aus dem Fenster sehen, wenn man nicht schwindelfrei ist. Schnell eine Büchse Cola aufmachen und ganz langsam trinken. Doch kaum fange ich an mich damit zu beschäftigen wie mein Mageninhalt am besten drinnen bleibt, sehe ich bereits das rettende Schild Domodossola und spätestens jetzt weiß ich, dass die Südrampe, die Killerrampe für alle sensiblen Gemüter, hinter mir liegt. Im Zug werden die Ansagen auf Italienisch gesprochen, draussen explodieren bereits die Bäume und geben einen Vorgeschmack auf ihre Blütenpracht. Der Lago Maggiore lässt die Wolken auf seinem Wasser tanzen. Drumherum stehen stolz die Villen und recken sich eitel in die Höhe und mit einem Mal geschieht es - die Seele wird leichter. Kaum hat man die Geschichte von Pascal Mercier (Nachtzug nach Lissabon) wieder anverdaut, grässlich langatmiges Buch, ist es Zeit zum Aussteigen.
Milano Centrale. Menschen laufen umher, schreien in ihre Telefoninos als ob sie taub wären. Ich suche nach einem Bankomat, sehe keinen und frage einen Uniformierten. Der freundliche Polizist verbessert mich und sagt, dass es cash desk heißt - vielleicht war er zu lange in Deutschland gewesen. Nach einigen Versuchen, der Bankomat - scusi - cash desk, will meine Geheimnummer nicht verstehen. Aber zum Schluß zeigt er sich gnädig und lässt einige Scheine aus der Mauer fahren. Ich nehme ein Taxi zum Hotel und genieße es. Endlich EINE STADT. Mailand. Mopeds flitzen, Autos hupen. Die Häuser sind hoch, viel Stein, wenig Grün. Dicht ist es hier. Die Architektur, der Verkehr, der Platz zwischen den Menschen. Die Gegensätze sind offensichtlich. Die Mischung aus arm und reich springt einem ins Gesicht. Bettler, Hexen mit und ohne Stöcke, elegante Geschäftsleute, einige HipHopkids mit Sonnenbrillen so gross wie Bratpfannen auf den Nasen, viele Russen und noch mehr Japaner.
Nach drei Tagen, vielen Spaziergängen, einigen Restaurantbesuchen, setzt man sich wieder in den Zug, winkt dankbar der Stadt zu, die einem den Akku aufgeladen hat, kommt vier Stunden später, pünktlich am Bahnhof an und denkt sich, wäre man doch bloß vor vier Stunden nicht eingestiegen.