31.10.17

NASSER NOVEMBER


© Deutsches Literaturarchiv Marbach - Erich Kästner
















Ziehen Sie die ältesten Schuhe an,
die in Ihrem Schrank vergessen stehn!
Denn Sie sollten wirklich dann und wann 
auch bei Regen durch die Strassen gehn.

Sicher werden Sie ein bisschen frieren,
und die Strassen werden trostlos sein.
Und trotzdem: gehn Sie nur spazieren!
Und wenn‘s irgend möglich ist, allein.

Müde fällt der Regen durch die Äste.
Und das Pflaster glänzt wie blauer Stahl.
Und der Regen rupft die Blätterreste.
Und die Bäume werden alt und kahl.

Abends tropfen hunderttausend Lichter
Zischend auf den glitschigen Asphalt.
Und die Pfützen haben fast Gesichter.
Und die Regenschirme sind ein Wald.

Ist es nicht, als stiegen Sie durch Träume?
Und Sie gehn doch nur durch eine Stadt!
Und der Herbst rennt torkelnd gegen Bäume.
Und im Wipfel schwankt das letzte Blatt.

Geben Sie ja auf die Autos acht.
Gehn Sie, bitte falls Sie friert nach Haus!
Sonst wird noch ein Schnupfen heimgebracht.
Und ziehn Sie sofort die Schuhe aus!

(Erich Kästner)